Künstlerisches Anliegen

Das Hauptanliegen ist die Farbe; denn Farbe hat nach Meinung der Künstlerin Bezug zum Emotionalen, nimmt seelische Kräfte in Anspruch und setzt sie frei. Farbige Klänge, Harmonien und Spannungen zu erzielen, erfordern den vollen Einsatz der Malerin.

Der Gegenstand gibt ihr den äußeren Anlass für die Bildidee, wenn ihr das Gesehene (insbesondere Stadt- und Naturlandschaften – aber auch Menschen, Pflanzen und Gegenstände mit interessanter Stofflichkeit und/oder Farbe etc.) zum Erlebnis wird. Das Bild „an sich“, die „reine Peinture“, stehen folglich im Zentrum des Anliegens und nicht der Gegenstand.

Verfolgt man ihr Werk, kann man feststellen, dass die Künstlerin eine Entwicklung vom abstrahierend-expressiven Malen zum immer realistischeren einfühlend-atmosphärischen Malen durchgemacht hat. Dennoch ist in ihrem Werk immer die expressive Wurzel – insbesondere bei der Farbigkeit und Rhythmik – nachzuweisen.

Für ihre künstlerische Arbeit suchte sie stets auch Inspiration durch eine intensive – bisweilen recht heftige- diskursive Auseinandersetzung mit ihrem Mann und Künstlerkollegen Harald Giering – auch noch nach der Scheidung – sowie mit dessen Onkel Max Kindt, ebenfalls ein bekannter Berliner Maler, mit Fachkollegen an der Schule und im Bekanntenkreis, z.T. auch mit einigen Schülern, mit denen sie eine lebenslange Freundschaft verband.

Siegfried Kühl, der bekannte Berliner Künstlerkollege Irmgard Gierings, hat anlässlich der Eröffnung ihrer Ausstellung „ 4 x Landschaft“ im Fontane-Haus in Berlin Reinickendorf mit drei weiteren Kollegen 1988 von einem Urteil Georg Tapperts über seine Schülerin Irmgard Giering und ihre Malerei berichtet: „ 1946 betrat ich mit meinem neuen „Meister“, Professor Georg Tappert, die Hochschulklasse. Er wies mich ein und zeigte mir meinen neuen Arbeitsplatz in der Nähe des großen Atelierfensters. Freundliche Studienkameraden nahmen mich in ihren Kreis auf. Neben mir hatte Irmgard Giering ihre Staffelei aufgebaut, und ich bewunderte ihr Stillleben wegen der feinsten Grauwerte, die sich wie ein dichter Teppich durch das ganze Bild zogen. Georg Tappert nannte sie eine „echte“ Malerin, im Gegensatz zu unseren „Buntfärbern“, die mit der Farbe „gröhlend“ umgingen.“   

Neben einer Fülle von Ölbildern, Grafiken, textilen Arbeiten und vielem anderen mehr, umfasst das Werk Irmgard Gierings besonders Aquarelle. Obwohl das Aquarell aufgrund seiner Technik nicht nachkorrigierbar ist – jeder Pinselstrich sitzt unwiderruflich – zeigen sogar noch die von ihr selbst als „schwächer“ deklarierten Exemplare eine bemerkenswerte handwerkliche Sicherheit. So muss sie zum Beispiel nur selten helle Flächen nachweißen, da sie das Weiß des Papiers auch im Nassen genau da stehen lassen kann, wo die Komposition es erfordert.

Der größte Teil ihrer Aquarelle ist geprägt von ihrem geradezu rauschhaften Gestaltungswillen vor der Natur: Farbigkeit, Licht, Stofflichkeit, Leben, Kontraste, Atmosphäre – bis hin zu schwer darstellbaren Witterungserscheinungen wie Wind – alles vermag die Künstlerin einzufangen und vermittelt damit sinnliche Freude am Gegenstand, die uns Zivilisationsgeschädigten oft schon abhandengekommen ist.

 Gemalt hat sie – neben den o.a. Naturlandschaften – besonders auch Berliner Stadtlandschaften in verschiedenen Perioden, Reisebilder (darunter verschiedenste mediterrane Landschaften und Ostseebilder, die vornehmlich in Skandinavien entstanden), Porträts, Tierbilder und Stilleben in verschiedensten Techniken, vorwiegend aber in Öl und Aquarell. Auch Szenen von Tagesaktualität (z.B. die Oderflut) und von historisch-politischem Interesse (z.B. Frauen um Goebbels, Motive der Zwanziger Jahre etc.) hat sie umgesetzt.

Ihr hohes Lesepensum mündete auch in diversen Buchillustrationen, darunter Joseph Roths „Radetzkymarsch“, Thomas Manns „Josephroman“, Tolstois „Anna Karenina“, Boris Pasternaks „Doktor Schiwago“ und zu Geschichten aus tausend und einer Nacht.

Der Zwang, zur Linderung des Rückenleidens jedes Jahr in verschiedenen Badeorten verbringen zu müssen (Bad Schüssenried, Bad Pyrmont, ab 1983 Bad Salzschlif – hier mit Zweitwohnsitz von 1987 bis 2005), führte zu einer jährlich wiederkehrenden ungewöhnlich intensiven Auseinandersetzung mit der unprätentiösen Landschaft dieser Gebiete. Dem scheinbar Belanglosen konnte Irmgard Giering in ständig verfeinerter Manier eine verblüffend verdichtete Ästhetik abgewinnen und dem Betrachter zugänglich machen. In der Kursaison vor Ort arbeitete sie vorwiegend in Aquarelltechnik und zum Teil auch mit Kreide und Feder, während sie den Ertrag ihrer sommerlichen Schaffensperiode in Ölbildern in der Wintersaison in Berlin verdichtete.

Das Ergebnis einer eisernen Arbeitsdisziplin, gepaart mit bemerkenswertem inneren Antrieb und Gestaltungswillen – trotz ihrer Dauerschmerzen – ist neben den vielen Werken in Privatbesitz, ein umfänglicher künstlerischer Nachlass von über 300 Ölgemälden sowie Hunderten von Aquarellen und Zeichnungen.

Den Nachlass verwaltet einer ihrer Schüler (Gerhard Freund), der die vielen zum Teil unsignierten Werke mit einem Nachlassvermerk autorisiert.